Vorgeschichte
Ich bin 1969 in München geboren. Dort hatte ich mit 9 Jahren einen schweren
Verkehrsunfall, der mein Leben total veränderte. Seitdem habe ich eine
spastische Halbseitenlähmung in meinem linken Arm/Hand und Bein/Fuß, da ich ein
schweres Schädelhirntrauma hatte. Durch diesen Unfall veränderte ich mich total.
Ich war unbeliebt, war sehr aggressiv usw. Nach diesem Unfall ging auch die Ehe
meiner Eltern auseinander. Ich habe meiner Mutter viel Leid zugefügt in dieser
Zeit.
1980 zogen wir dann von München nach Braunschweig. Ich schöpfte neue Hoffnung,
endlich Freunde zu finden. Doch durch meine Art schaffte ich es auch hier nicht.
Ich war der ungeliebte Außenseiter, wurde nur verspottet und gehänselt. Ich
denke nicht gerne an diese Zeit zurück, da sie die Hölle für mich war
1987 beging ich dann einen Selbstmordversuch. Dort kam ich an einen Psychologen,
der mich wieder zu einem fröhlichen jungen Mädchen (bzw. Frau, war 18) machte.
Nach diesem Suizid-Versuch kam ich dann in eine neue Schule und schaffte endlich
den Absprung. Ich fand Freunde und wurde in der Schule gut. Ich fand zum Glück
auch eine Ausbildungsstelle im September 1989 als Bürokauffrau. Natürlich hatte
ich auch einen Freund
Anfang der Spielsucht
Meine Sucht fing Anfang 1989 an. Ich hatte einen Freund und obwohl ich schon 19
Jahre alt war, durfte ich am Anfang nicht bei ihm schlafen. Verbot der Mutter!
Er hatte aber eine eigene Wohnung, war aber nach der Lehre (er war Koch)
arbeitslos. Ich ging noch zur Schule. Zu der Zeit lernte meine Mutter einen
neuen Mann kennen. Der ist 17 Jahre älter als meine Mutter. Bald kamen Reiberei
zwischen dem Mann und mir auf. Ich hörte halt gerne Musik und diese Art von
Musik verabscheute er. Für ihn zählte nur Klassik. Doch damit konnte ich nichts
anfangen. Ich war ja jung. Auch mit seinen Einstellungen kam ich absolut nicht
klar. Er war und ist absolut intolerant. Wenn ich dann mal zu Hause meine
Meinung sagte, war ich Luft für ihn. Das ging soweit, dass ich 2 Jahre mit ihm
und meiner Mutter unter einem Dach lebte, ohne mit ihm zu reden. Ich war Luft,
existierte gar nicht für ihn.
Mein damaliger Freund nahm mich dann mal mit in eine Spielhalle. Ich war noch
nie in so etwas und war auch zu geizig, da irgendwas zu investieren bzw.
auszugeben. Er aber setzte sich an ein sog. „Unterhaltungsgerät“. Ich glaube, es
hieß „Piek-Ass“. Gewinnen konnte man da nichts. Ich setzte mich zu ihm und
schaute ihm zu. Irgendwann saß ich dann davor und spielte. Okay, es war wenig
Geld, aber so fing es an.
Irgendwann meinte er dann, dass er mal Lust hätte, an ein Geldspielgerät zu
gehen. Ich sagte okay, ohne mir über die Folgen bewusst zu sein. Wie es nun mal
so ist, machte ich gleich einen großen Gewinn. Nur wenig investiert, aber viel
Geld gewonnen. Ich glaube 20,-- DM reingetan und 150,-- DM gewonnen. Weiß das
aber nicht mehr so genau. War natürlich fantastisch!!! Soviel Geld mit wenig
Einsatz. Ich tauschte die Münzen in Scheine und ich fuhr nach Hause. Ich war in
einer bisher noch nicht gekannten Hochstimmung.
Tja, somit war der Anfang gemacht. Ich konnte es am nächsten Tag nicht erwarten
zu meinem Freund zu fahren und wieder spielen zu gehen. Warum sollte es mit dem
Gewinnen nicht weitergehen? Nur leider war das, wie sollte es auch anders sein,
ein Trugschluss.
Da ich als Schülerin nicht soviel Geld hatte, hielt es sich aber sehr in Grenzen
bei mir. Ich verspielte nie mehr als ich wollte oder konnte. Da hatte ich mich
noch unter Kontrolle und gewann auch sehr oft.
Meine Spielerkarriere
Zu Hause wurde es immer unerträglicher für mich. Ich hielt es dort nicht mehr
aus. So flüchtete ich immer stärker in die Spielsucht. Dort war ich mit dem
Automaten alleine, um mich herum nur die netten Angestellten von der Spielhalle.
Ja, dort fühlte ich mich wohl…….
Im September fing ich dann mit der Ausbildung an. Vom ersten Geld lädt man
natürlich seine Familie (bei mir waren es mein Freund, meine Mutter, meine Omi,
meine 3 Jahre ältere Schwester und leider auch der Freund meiner Mutter) zum
Essen ein. Ich ging also mit ihnen in mein damaliges Lieblings-Restaurant. Doch
der Abend und das Essen wurden die Hölle. Der Freund meiner Mutter hält nicht
viel vom Essen, ist für ihn nur ein notwendiges Übel, außerdem fand er das
Restaurant zu eng und überhaupt fand er alles schlecht. Das Essen war zu heiß
usw., usw. Alle anderen fanden es aber gut. Nach dem Essen teilte meine Mutter
uns dann noch mit, dass sie ihn heiraten will und sie sich wünschten, dass meine
Schwester und ich die Trauzeugen werden. Ich lehnte das natürlich energisch ab,
woraufhin meine Mutter in Tränen ausbrach, was mich wiederum sehr traurig
machte. Aber das konnte ich einfach nicht. Ich verlangte daraufhin die Rechnung,
um den Abend schnell zu beenden. Danach teilte ich meiner Mutter mit, dass ich
diese Nacht bei meinem Freund übernachten werde, egal was sie sagt. Sie war aber
damit einverstanden. So fuhr ich mit meinem Freund zu ihm. Natürlich war ich
noch sehr traurig und weinte auch. Mein Freund machte dann den Vorschlag, dass
wir doch noch spielen gehen könnten. Ich sagte ja, hatte ja noch Geld…….
Das war der Einstieg in die richtige Sucht bei mir. Dort angekommen, man kannte
uns ja mittlererweile, empfing uns die Chefin gleich. Sie kriegte mit, was mit
mir los war und tröstete mich. Ich verzockte an diesem Abend mein ganzes
restliches Geld ohne Gewinn, aber ich fühlte mich wieder wohl und wohl auch
geborgen.
Doch von da an, ging ich immer öfter zum Spielen, mein Konto war bald vollkommen
überzogen. Ich bestahl meine Mutter, meine Schwester und auch meine Omi. Doch
als auch dieses Geld nicht reichte und das Geld vor mir versteckt wurde und ich
immer neuen Riesenärger zu Hause bekommen habe, fing ich an, Schecks vom Mann
meiner Mutter (sie hatte ihn zwischenzeitlich geheiratet) zu fälschen und
einzulösen. Das flog natürlich auch bald auf und ich riskierte dann meine
Ausbildungsstelle. Ich habe es nur meiner Mutter und der Ausbildungsleiterin zu
verdanken, dass ich die Ausbildung dennoch fortsetzen konnte.
1990 trennte ich mich dann von meinem Freund, bzw. er trennte sich, weil ich ja
kriminell geworden war. Er hatte sich unter Kontrolle, im Gegegensatz zu mir.
Kurz darauf lernte ich dann meinen jetzigen Mann kennen. Vor ihm verheimlichte
ich meine Sucht natürlich, auch meiner Familie sagte ich nicht, wozu ich denn
das ganze Geld gebraucht habe. Ich erkannte nicht, dass ich spielsüchtig war. Es
machte mir ja Spaß. Warum sollte ich also aufhören zu spielen???
Zu Hause besserte sich für kurze Zeit mein Verhältnis mit dem Mann meiner
Mutter. Er war Bewährungshelfer und versuchte mir zu helfen. Aber das ließ ich
ja nicht zu. Ich log und betrog weiter. Irgendwann war es wieder, dass wir
aneinander vorbeigingen und der andere Luft war. Meine Mutter versuchte zwar
immer zu vermitteln, aber da schaffte sie es nicht.
Ich mogelte mich so durch und beendete 1992 meine Ausbildung. Ich bekam in
meiner Ausbildungsstelle dann einen Zeitvertrag für 6 Monate. Also ging ich zu
Bank und beantragte meinen ersten Kredit. Kurze Zeit später, war der verbraucht
und mein Konto wieder überzogen. Ich muss dazu sagen, dass es mir die Bank
(Citibank) sehr leicht gemacht hatte. So kam der nächste Kredit. Irgendwann
bekam mein neuer Freund natürlich auch was mit. Da sagte ich dann zum ersten
Mal, dass ich spielen gehe und dafür das Geld brauche. Ich log ihm dann vor,
dass ich aufhören möchte (was nicht stimmte), es aber nicht schaffe. Wir suchten
dann nach einer Selbsthilfegruppe in Braunschweig. Hier gab es die Anonymen
Spieler. Mein Mann begleitete mich jedes Mal. Er unterstützte mich und versuchte
mir zu helfen. Ich ging auch brav zu den Treffen hin, aber innerlich war ich
nicht soweit. Ich tat es nur, um den anderen einen Gefallen zu tun und um den
anderen zu zeigen, dass ich es versuche. Auch in der Gruppe war ich unehrlich,
denn ich ging weiterhin spielen. Da allerdings mein Konto jetzt unter
Beobachtung stand, musste ich mir wieder was einfallen lassen. Ich war ja
berufstätig, also beantragte ich Kreditkarten, die ich auch bekam. War ja noch
Schufa-sauber. So kam ich wieder an Geld.
Irgendwann entdeckte mein Mann, mit dem ich dann schon zusammenlebte, aber die
Karten und stellte mich wieder zur Rede. Irgendwann konnte ich meine Schulden
nicht mehr zurückzahlen. Mein Mann bürgte dann für einen Kreditvertrag für mich.
In der Zwischenzeit hatte ich ihn auch geheiratet und spielte ihm die Geheilte
vor. Doch irgendwann ging es nicht mehr. Ich bekam Mahnbescheide und
Vollstreckungsbescheide. An einem Tag kam der Gerichtsvollzieher. Ich war auf
der Arbeit, nur mein Mann war zu Hause. Er rief mich dann aufgeregt an, doch ich
war in der Zwischenzeit so perfekt im Lügen und er liebte mich ja. So konnte ich
wieder für Ruhe sorgen.
1998 verließ ich dann meinen Mann, um einen Traum hinterherzulaufen, der für
mich dann aber zum Alptraum wurde. Nachdem ich alles zerstört hatte, zog ich mit
einem anderen zusammen, der aber Alkoholiker war. So trennte ich mich auch von
dem und nahm mir eine kleine Wohnung für mich alleine. Mittlererweile lebte ich
von Sozialhilfe, die Scheidung war eingereicht.
Doch diese Wohnung war genau das Richtige für mich. Ich stellte mich zum ersten
Mal vor die Wahl. Entweder diese Wohnung oder das Obdachlosendasein. In dieser
Wohnung stand ich zum ersten Mal in meinem Leben auf eigenen Füßen. Ich war für
mich selbst verantwortlich. Nun kam ein Stolz bei mir hoch, den ich noch nie
kannte. Ich gab mir selbst ein Versprechen: Ich wollte allen beweisen, dass ich
es selbst schaffe. Ich wollte zeigen, dass ich doch nicht ein so schlechter
Mensch bin. Da ich diesmal die treibende Kraft war, hatte ich ne Chance. Dann
kam plötzlich noch der beste Therapeut der Welt zu mir. Mein Hund! Selbst, wenn
ich mein Geld verspielte, so war der Hund von mir abhängig. Durch ihn und die
eigene Wohnung fand ich wieder zu mir.
Heute lebe ich wieder mit meinem Mann zusammen und bin glücklich. Ich habe auch
endlich ein Hobby gefunden, dass mir sehr viel Spaß macht, der Computer. Ich
kenne mich in der Software aus, erstelle Homepages usw. Die übrige Zeit
verbringe ich mit meinem Hund und meiner Katze und abends natürlich mit meinem
Mann. Ich spiele seit 1998 nicht mehr und vermisse es auch nicht mehr.
Die Anhängsel, sprich die Schulden, habe ich natürlich noch. Seit 2004 läuft
meine private Insolvenz.
Allerdings kontrolliere ich mich noch heute. Wenn ich in die Stadt gehe, habe
ich nur soviel Geld dabei, wie nötig. Meistens treffe ich mich dann auch mit
Freunden oder der Familie. Viel Geld nehme ich nie mehr mit. Ich will mich nicht
mehr in Versuchung führen
Nachtrag
Seit 1998, durch meine eigene Wohnung und meiner Spielfreiheit, öffnete ich mich
auch dem Mann meiner Mutter. Er half mir in dieser Zeit sehr mit Gesprächen. Wir
hatten dann ein sehr gutes Verhältnis und ich liebte ihn wie eine Tochter ihren
Vater liebt. Am 12.Oktober 2003 verstarb er nach relativ kurzer Krankheit. Als
er auf der Intensivstation lag und nicht mehr ansprech war, besuchte ich ihn
täglich. Dort schloß ich meinen inneren Frieden mit ihm und entschuldigte mich
für all das, was ich durch meine Spielsucht ihm angetan hatte. Durch eine
Reaktion seiner Hand bin ich der Überzeugung, dass er mich verstand und mir
verzeihte. Das war und ist sehr wichtig für mich
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